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Nachhaltigkeit

Verbauen wir uns nicht die Zukunft

Spätestens seit 2021 von der Regierung die österreichische Bodenschutzstrategie zu Papier gebracht wurde, ist auch die breite Masse der Bevölkerung aufmerksam geworden auf eine der größten ungelösten Umweltherausforderungen Österreichs: den enormen Bodenverbrauch.
Lesedauer: 5 Minuten
Veröffentlicht: 31.07.2024
Mitarbeiterin von wohninvest
DI Lena Hirvonen
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„Innen- vor Außenentwicklung“ – so lautet ein grundlegendes Prinzip der Stadt und Regionalplanung. Es bedeutet, dass vorrangig bestehende innerstädtische Flächen genutzt und entwickelt werden sollen, bevor neue Siedlungs- und Verkehrsflächen am Stadtrand erschlossen werden. In Österreich wird dieses Prinzip jedoch nicht konsequent umgesetzt. Boden – eine unvermehrbare Ressource – wird täglich im Ausmaß von durchschnittlich 11,5 ha, das entspricht 16 Fußballfeldern, zugunsten von Verkehrsflächen und Gebäuden konsumiert. ‚Konsumiert‘ bedeutet in diesem Zusammenhang ‚versiegelt‘, was ganz allgemein zur Folge hat, dass kein Austausch mehr zwischen Boden und bodennaher Atmosphäre stattfinden kann. Diese Trennung unterbindet nicht nur Austauschprozesse des Wasserkreislaufes, wie Versickerung oder Verdunstung, sondern raubt auch wichtigen Organismen den Lebensraum.

Versiegelte Flächen verhindern die natürliche Versickerung von Regenwasser in den Boden. Dies führt zu einem erhöhten Oberflächenabfluss, der das Risiko von Überschwemmungen bei Starkregenereignissen erhöht. Gleichzeitig wird die Verdunstung reduziert, was die lokale Luftfeuchtigkeit verringert und das Mikroklima beeinflusst. Durch die mangelnde Versickerung können städtische Kanalisationen bei starken Regenfällen schnell überlastet werden, was zu Überschwemmungen und erheblichen Schäden an Infrastruktur und privatem Eigentum führt. Ein versiegelter Boden kann seine natürlichen Funktionen, wie die Filterung und Speicherung von Wasser und Nährstoffen, nicht mehr erfüllen. Dies beeinträchtigt das Pflanzenwachstum und führt zu einer Verschlechterung der Bodenqualität. Die Versiegelung zerstört den Lebensraum vieler Bodenorganismen, was die Biodiversität stark reduziert. Diese Organismen sind jedoch wichtig für die Bodenfruchtbarkeit und das ökologische Gleichgewicht. Versiegelte Flächen absorbieren und speichern Wärme, was zu einer Erhöhung der Temperaturen in städtischen Gebieten führt. Dieser sogenannte "Urban Heat Island Effect" erhöht den Energieverbrauch für Kühlung und beeinträchtigt die Lebensqualität der Bewohner:innen. Höhere Temperaturen in Städten können gesundheitliche Probleme wie Hitzestress und Atemwegserkrankungen verstärken, insbesondere bei älteren Menschen und Kindern.

Was kann also getan werden?

Eine Raumordnungspolitik, die das Prinzip der Innenentwicklung konsequent umsetzt, kann dem Flächenfraß in Form ausufernder Siedlungsgebiete vorbeugen. Bauen im Bestand reduziert die Notwendigkeit zusätzlicher Erschließungen durch asphaltierte Wege und Straßen sowie die Verlegung von Versorgungsleitungen, was die unterirdische Versiegelung minimiert. Gebäudesanierungen und -erweiterungen, wie durch Aufstockungen, sparen nicht nur Boden, sondern auch Baustoffe. Die Sanierung von innerstädtischen Objekten ohne vorherige Wohnnutzung durch innovative Konzepte bringt zusätzliches Potenzial.
Zudem kann durch die gezielte Entsiegelung von Flächen, wie dem Rückbau ungenutzter Parkplätze oder Industrieflächen, der natürliche Wasserkreislauf wiederhergestellt und die Biodiversität gefördert werden.

In Österreich gibt es verschiedene Initiativen und Projekte zur nachhaltigen Stadtentwicklung. Wien setzt auf Nachverdichtung und Umnutzung innerstädtischer Flächen, unterstützt durch Förderprogramme für die Sanierung und den Umbau von Bestandsgebäuden sowie die Entwicklung neuer Wohnflächen auf bereits versiegelten, aber ungenutzten Grundstücken. Begrünungsmaßnahmen wie die Förderung von Dach- und Fassadenbegrünung verbessern das Stadtklima und reduzieren den Urban Heat Island Effect. In Graz entsteht auf einer ehemaligen Industriefläche das nachhaltige Stadtviertel Reininghaus, das großen Wert auf die Schaffung von Grünflächen und die Nutzung erneuerbarer Energien legt. Auch hier werden brachliegende Flächen und bestehende Gebäude nachverdichtet und umgenutzt.

Die Umweltorganisation Greenpeace beschäftigt sich ebenfalls intensiv mit dem Thema Flächenverbrauch und hat sich in verschiedenen Aktionen gegen die massive Bodenversiegelung und für einen bewussteren Umgang mit der Ressource Boden stark gemacht. Zuletzt im Rahmen der Kampagne "Österreichs 9 Betonschätze" die größten Bodensünden für jedes Bundesland gekürt. In diesem Zusammenhang fordert Greenpeace auch eine Reduktion des Bodenverbrauchs auf maximal 2,5 ha täglich bis 2030.

Fazit:
Die konsequente Umsetzung des Prinzips „Innen- vor Außenentwicklung“ ist essenziell, um den Flächenverbrauch und die damit verbundenen negativen Auswirkungen in den Griff zu bekommen. Dies erfordert eine klare Raumordnungspolitik, innovative Konzepte von Städteplanern für die Nutzung und Sanierung bestehender Bauten sowie die Förderung von Grünflächen und Entsiegelungsmaßnahmen. Wer sich Gedanken über die Zukunft macht, sollte daher ein Investment in ein Sanierungsprojekt - wie beispielsweise ein Bauherrenmodell - in Erwägung ziehen.

Quellen:

- Bundesministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus. "Bodenversiegelung in Österreich." 2022.
- Umweltbundesamt. "Auswirkungen der Bodenversiegelung." 2021.
- Europäische Umweltagentur. "Urban Heat Islands: Auswirkungen und Maßnahmen." 2020.
- Stadt Wien. "Initiativen zur Innenentwicklung." 2023.
- Österreichische Raumordnungskonferenz. "Strategien zur Reduktion der Bodenversiegelung." 2022
- Bundesanstalt für Wasserwirtschaft. "Grünflächen in der Stadtplanung." 2023
- Stadt Graz. "Stadtentwicklungsgebiet Reininghaus." 2023
- Initiative "Nachhaltiges Österreich." "Sanierung und Umbau von Bestandsgebäuden." 2023
- Umweltbundesamt. "Innenentwicklung und Nachverdichtung." 2021.
- Stadt Wien. "Begrünungsmaßnahmen und Entsiegelung." 2022.
- Stadt Graz. "Nachhaltige Stadtentwicklung." 2022.
- Österreichische Raumordnungskonferenz. "Raumordnungspolitik in Österreich." 2021.

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