Zum Hauptinhalt springen
Kontakt
Standorte

Stadtentwicklung im Wandel

wohninvest im Gespräch mit dem Planungsdirektor der Stadt Wien, Thomas Madreiter, über die aktuellen Herausforderungen einer Großstadt und wie er Wien für die Zukunft rüsten möchte.
Lesedauer: 3 Minuten
Veröffentlicht: 19.09.2023
Mitarbeiterin von wohninvest
Mag. Cathrin Hütter
Diesen Artikel teilen

Bevölkerungswachstum, Klimawandel und Mobilität stellen Wien vor neue städtebauliche Aufgaben. wohninvest hat mit dem Experten darüber gesprochen, wie sich eine Stadt, die sowohl wächst als auch altert, an die sich verändernden Bedürfnisse ihrer Bewohner:innen anpassen und gleichzeitig nachhaltig und lebenswert bleiben kann. In unserem Interview gibt Thomas Madreiter Einblicke in die Visionen und Strategien, die hinter den Kulissen der Stadtentwicklung stehen.

Wien ist 2023 vom „Economist“ wieder zur lebenswertesten Stadt der Welt gekürt worden. Was macht Wien für Sie persönlich so lebenswert?

Madreiter: Das ist wahrscheinlich nicht so unterschiedlich zu dem, was Wien für andere Menschen so lebenswert macht. Eine gelungene Mischung aus Kultur, Natur, sozialer Basis. Letzteres ist mir besonders wichtig. Für viele bedeutet Stadt eine Ansammlung von Häusern. Meinem Verständnis nach ist Stadt ein Sozialsystem – ein Ort von Gelegenheiten, von Chancen, von Begegnungen, von Anregungen, aber natürlich auch von Reibungen und Widersprüchen.

Sie sprechen von sozialer Basis. Wie wird sich diese verändern in Hinblick darauf, dass die Bevölkerung kontinuierlich zunimmt und dabei immer älter wird?

Madreiter: Dass die Bevölkerung zunimmt, halte ich prinzipiell für keinen Unfall. Das ist eher ein Indiz dafür, dass Wien als ein attraktiver Standort wahrgenommen wird. Wien ist in den letzten rund 30 Jahren um 500.000 Einwohner:innen gewachsen. Und dieses Wachstum haben wir so bewältigt, dass wir nach wie vor in Rankings die Nummer eins in der Lebensqualität sind, also gar nicht so schlecht. Das sind einfach Management-Aufgaben, die man lösen muss. Ebenso wie mit dem demografischen Wandel. Menschen werden alt und können die Komplexität des Alltags nicht mehr ohne Weiteres bewältigen. Daher versuchen wir in Zukunft verstärkt auf dezentrale Unterstützungsformen zu setzen. Diese Maßnahmen sollen es den Senior:innen ermöglichen, so lange wie möglich selbstbestimmt zu Hause zu leben, indem sie beispielsweise Dienste wie Essen auf Rädern oder medizinische Unterstützung in Anspruch nehmen können.

"Wir müssen die Spielregeln anpassen. Machen wir das gut, wird das Wien der Zukunft sicher ein anderes sein als das der Gegenwart. Aber nicht unbedingt ein Schlechteres."

Wie schafft man den benötigten zusätzlichen Wohnraum? Sind neue Stadtteile geplant oder setzt man auf Nachverdichtung durch Sanierung und Ausbau?

Madreiter: Das Standbein wird sicher das sogenannte „Weiterbauen im Bestand“ sein. Weil uns die Klimaerwärmung in der Stadt einfach dazu zwingt, noch viel stärker als in der Vergangenheit zu begrünen, Verdunstungsflächen offen zu lassen und für Durchströmungen zu sorgen – das beißt sich natürlich damit, massiv neu zu bauen. Es wird sicher noch da und dort diverse Arrondierungen am Stadtrand geben, aber eigene Stadtteile in der Dimension wie beispielsweise der Seestadt oder von Rothneusiedl wird es – zumindest in meiner Laufbahn – nicht mehr geben. Dieser Ansatz ermöglicht uns durchaus eine gute Perspektive auf die nächsten 20 Jahre.

Kann die Stadtplanung wirklich schon auf so einen langen Zeitraum vorausplanen?

Madreiter: Noch nicht in dem Ausmaß, in dem es wünschenswert wäre. Aber Planung zeichnet sich ja dadurch aus, dass man versucht, verschiedene Varianten oder Alternativen einer zukünftigen Entwicklung durchzudenken und dann zu einer Lösung zu kommen, die möglichst robust ist. Abgesehen davon aktualisieren wir alle 10 Jahre den Stadtentwicklungsplan und können gegebenenfalls gegensteuern.

Eine Entwicklung, die jedenfalls absehbar ist, betrifft den Klimawandel. Wien ist, was den zu befürchtenden Temperaturanstieg betrifft, eine der am stärksten betroffenen Städte Europas. Der bisherige Temperaturanstieg war etwa doppelt so hoch wie der globale Durchschnitt. Mehr Grünflächen alleine werden nicht genügen um dem entgegen zu wirken oder?

Madreiter: Nein, es braucht sicher ein Bündel an Maßnahmen. Von der Mobilität über alternative Energieversorgungssysteme bis hin zu banalen Dingen wie passivem Sonnenschutz muss hier mitgedacht werden. Wir müssen so viel wie möglich entsiegeln, versickerungsfähig machen, begrünen und nur jene sorgfältig geprüfte Flächen nutzen, die vernünftigerweise versiegelt werden müssen. Denn es wird natürlich weiterhin Wirtschafts- und Privatverkehr geben in der Stadt, es werden Fuß- und Radwege vorhanden sein.

"Es ist nicht per se jeder Quadratmeter Asphalt schlecht. Aber es geht um das rechte Maß."

Für all die Maßnahmen müssen wir natürlich auch die Rahmen- bedingungen schaffen. Ich glaube, wenn wir die Klimakrise ernst nehmen, dann ist die Konsequenz, dass wir alle eben auch neue Spielregeln brauchen. Denn nur wenn wir bestimmte Regeln anpassen und da nehme ich die Stadtverwaltung nicht aus können wir künftig gut durch unsichere Zeiten navigieren.

Lesen Sie weitere spannende Beiträge in unserem neuen Magazin MORGEN.

Sichern Sie sich Ihr kostenloses Exemplar.

Weiterlesen

Diese Artikel könnten Sie auch interessieren