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Nachhaltigkeit

Alte Mauern, frischer Wind: Der Gebäudebestand auf Klimakurs

Bis 2050 werden noch immer 85–95 % der Gebäude stehen, die wir heute kennen und nutzen. Doch hier kommt die Herausforderung: Rund 75 % dieser Gebäude sind wahre Energieverschwender und müssen dringend saniert werden.
Lesedauer: 5 Minuten
Veröffentlicht: 31.10.2024
Peter Stellnberger
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Die EU hat sich mit ihrer neuen Richtlinie zur Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden (Energy Performance of Buildings Directive, EPBD) ein ehr- geiziges Ziel gesetzt. Bis 2050 soll der gesamte Gebäudebestand klima- neutral sein und gleichzeitig die Energiekosten spürbar gesenkt werden. Eine echte Win-Win-Win-Situation für Immobilieneigentümer, Mieter und das Klima – doch wie realistisch ist dieses Ziel?

Status quo. Laut Statistik Austria gibt es in Österreich etwa 2,3 Millionen Ge- bäude. Zwei Drittel davon sind Einfamilienhäuser, während Gewerbeimmobilien 12 % des Bestands ausmachen – etwa 280.000 Objekte. Besonders in Wien zeigt sich die Bedeutung alter Bausubstanz: Rund 31,7 % der Gebäude stammen aus der Zeit vor 1945. Doch hier liegt auch ein Problem: Die Sanie-rungsrate stagniert seit 2015 auf einem niedrigen Niveau von 1,5 % - weit entfernt von dem ambitionierten Ziel der Wirtschaftskammer Österreich, das bei 3 % liegt.

Bisherige Umsetzung der Richtlinie in Österreich. Die Umsetzung der EU-Richtlinie zur Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden hat in Österreich bereits eine längere Geschichte. Die bisherige Fassung der EPBD stammt aus dem Jahr 2010 und wurde hierzulande vor allem durch die OIB-Richtlinie 6 „Energieeinsparung und Wärmeschutz“ realisiert. Doch jetzt steht eine neue Ära bevor, die noch strengere Maßnahmen und ambitionierte Ziele vorsieht.

Politischer Diskussionsprozess. Im März hat das Europäische Parlament eine wegweisende Entscheidung getroffen: Die neue Richtlinie zur Energieeffizienz von Gebäuden ist nun beschlossene Sache und seit dem 28. Mai 2024 in Kraft. Bis Mai 2026 muss jedes EU-Land diese Vorgaben
in nationales Recht umsetzen. In Österreich übernimmt das Österreichische Institut für Bautechnik diese anspruchsvolle Aufgabe und arbeitet daran, die bautechnischen Vorschriften mithilfe der OIB-Richtlinien an die neuen Standards anzupassen.

Nationaler Gebäuderenovierungsplan. Ein Herzstück der neuen Richtlinie ist die Verpflichtung der Mitgliedstaaten, umfassende „Nationale Gebäuderenovierungspläne“ zu entwickeln. Ziel ist es, sowohl öffentliche als auch private Gebäude in emissions- freie Zonen zu verwandeln. Dabei gilt: „Energieeffizienz an erster Stelle.“ Bis 2040 müssen alle Pläne konkrete Schritte für den Ausstieg aus fossilen Brennstof- fen beinhalten. Die Entwürfe sind bis Ende 2025 einzureichen, und die vollständige Ausarbeitung muss bis Ende 2026 erfolgen. Mit der neuen Richtlinie verabschiedet sich die EU von der Idee des „Niedrigstenergiegebäudes“ und setzt stattdessen auf „Nullemissionsgebäude“. Diese Gebäu- de sollen nicht nur einen extrem niedrigen Primärenergiebedarf haben, sondern auch vollständig emissionsfrei sein – mit einigen wenigen Ausnahmen. Die Energie, die sie benötigen, muss zu 100 % aus erneuerbaren Quellen stammen, idealerweise vor Ort oder in der Nähe erzeugt. Ab 2028 müssen alle neuen öffentlichen Gebäude emissionsfrei sein, sofern technisch und wirtschaft- lich machbar, gefolgt von allen Neubauten ab 2030. Bis 2050 sollen auch alle bestehenden Gebäude diesem Standard entsprechen. Ausnahmen sind für denkmalgeschützte, religiöse oder landwirtschaftlich genutzte Gebäude vorgesehen.

Mindestanforderungen an die Gesamtenergieeffizienz. Auch zur Energieeffizienz des Gebäudebestands sind Maßnahmen vorgesehen - mit besonderem Fokus auf die am wenigsten energieeffizienten Gebäude. Mitgliedstaaten müssen Mindestenergieeffizienzstandards festlegen, differenziert nach Wohn- und Nichtwohngebäuden. Für Nichtwohngebäude gibt es strengere Anforderungen: Die schlechtesten 16% der Nicht- wohngebäude müssen bis 2030 und die schlechtesten 26% bis 2033 renoviert werden. Bei Wohn- gebäuden müssen die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass der Primärenergieverbrauch bis 2030 um 16% und bis 2035 um 20-22% sinkt. Mindestens 55% der Energieeinsparungen müssen durch Renovierungen der Gebäude mit der schlechtesten Energieeffizienz erzielt werden. Diese Vorgaben gelten jedoch durchschnittlich und nicht individuell wie bei den Nichtwohngebäuden.

Solarenergie und Mobilität. Ein weiterer Schwerpunkt der Richtlinie liegt auf erneuerbaren Energien und nachhaltiger Mobilität. Neue und renovierte Ge- bäude sollen so gestaltet sein, dass Solaranlagen problemlos installiert werden können. Zudem werden die Mitgliedstaaten an- gehalten, den Ausbau der Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge zu unterstützen und ausreichen- de Stellplätze für Fahrräder sicherzustellen, um eine zukunftssichere Mobilität zu fördern.

Datenaustausch und Smart Buildings. Mitgliedstaaten werden verpflichtet, sicherzustellen, dass Gebäudeeigentümer, Mieter und Verwalter direkten Zugang zu den Daten der Gebäude haben. Daten zur Gesamtenergieeffizienz, Gebäudeautomatisierungssysteme, Zähler, Mess- und Kontrolldaten sollten, sofern verfügbar, in einem digitalen „Gebäudelogbuch“ verknüpft werden.

Finanzierung. Für die Umsetzung der Gebäuderenovierungspläne sind erhebliche finanzielle Mittel notwenig. Geeignete Finanzierungen, Unterstützungsmaßnahmen und andere Instrumente sollen von den Mitgliedstaaten bereitgestellt werden, um die notwendigen Investitionen zu tätigen, sodass der Gebäude- bestand bis 2050 in Nullemmissionsgebäude umgewandelt werden kann. Zur Finanzierung dieser Transformation sollen finanzielle Instrumente wie auf Energieeffizienz ausgerichtete Darlehen, Renovierungsfonds oder steuerliche Anreize dienen. Es soll zu einer Kombination von EU- und nationa- len Mitteln kommen. Ein besonderes Augenmerk legt die Richtlinie auch auf Schutzvorkehrungen für Mieter, um Zwangsräumungen nach Renovierungen entgegenzuwirken und unverhältnismäßige Mieterhöhungen aufgrund der energetischen Sanierung zu verhindern. Eine Kombination aus EU- und nationalen Mitteln soll die Investitionen fördern.

Fazit. Die überarbeitete Richtlinie verfolgt ein ehrgeiziges Ziel - die nationale Umsetzung in Österreich bleibt abzuwarten. Die Wirtschaftskammer sieht beispielweise in der Finanzierung eine der größten Herausforderungen. Gleichzeitig ergibt sich aber auch eine Geschäftschance für Banken an der Transformation mitzuwirken. Laut einer Studie des Umweltbundesamtes müs- sen bis 2030 etwa 25,7 Milliarden Euro in den Gebäudesektor inves- tiert werden, um die Klimaziele zu erreichen. Im Idealfall werden die Investitionen durch die Einsparungen bei Energie- und Betriebskosten gedeckt, da erneuerbare Energieträger oft geringere variable Kosten haben. Es wird vermutet, dass Mieter bereit sind, höhere Nettomieten für sanierte Wohnungen und Büros zu zahlen, da die Gesamtkosten (inklusive Betriebs- und Energiekosten) niedriger sind. Mit diesen Mehrerlösen könnten die (Mehr-) Investitionen bestritten werden. Eine Herausforderung wird daher allerdings die Altbausanierung in Österreich darstellen, da diese Gebäude unter die Mietpreisbegrenzung des Richtwerts fallen. Banken sollten bei Immobilien- finanzierungen ein besonderes Augenmerk darauf legen, ob die Immobilien bereits den Anforde- rungen welche die EPBD an diese richtet, erfüllen. Die Raiffeisen- landesbank NÖ-Wien hat einen speziellen Kredit entwickelt, den „Going Green Kredit Real Estate“, um Unternehmenskunden bei der Sanierung unsanierter Immobilien zu unterstützen den aktuellen Nachhaltigkeitsstandards zu entsprechen.

Ob die EPBD eine Win-Win-Win- Situation schafft, die das Klima schützt, Energiekosten senkt und eine faire Kostenaufteilung für Sanierungen ermöglicht, wird sich in der nationalen Umsetzung zeigen. Sie ist jedoch ein wichtiger Schritt für einen klimafitten und zukunftssicheren Gebäudebestand.

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