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Wann wird Bauen wieder billig?

Die Bauwirtschaft fordert Konjunkturprogramme von der Politik. Die Immobilienwirtschaft blickt unzufrieden auf die Kreditvergabepraxis der Banken. Wer gehofft hat, dass die dünne Nachfrage nach Bauleistungen zu einem Sinken der Baupreise führen, hat sich aber getäuscht.
Lesedauer: 10 Min.
Veröffentlicht: 23.08.2024
Mitarbeiter von wohninvest
Reinhard Puntigam
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Anfang August verkündeten die Kreditschützer von Creditrefrom einen befürchteten Rekord. Seit 2009 habe es nicht mehr so viele Unternehmensinsolvenzen gegeben. Die Steigerung gegenüber dem Vergleichshalbjahr des Vorjahres betrage fast 27%. Neben dem von Standortproblemen und Onlinekonkurrenz geplagten Handelssektor lagen Baufirmen mit 598 Insolvenzen im ersten Halbjahr 2024 an der Spitze der insgesamt 3.363 Firmenpleiten. Viele Probleme sind dabei hausgemacht: Bei schlechter Kapitalisierung und knapper Liquidität führt die schlechte Auftragslage schnell zu existenziellen Problemen. Was den Wohnbau betrifft, gibt sich die Branche selbst nach den erschreckenden Rückgängen des Bauvolumens von 4,5% (2022), 8% (2023) und 10,4% (2024) auch für das kommende Jahr noch pessimistisch. Der KSV prognostiziert zumindest für 2024 einen anhaltend negativen Trend bei Pleiten am Bau.

Im Schnitt stiegen die Baupreise seit 1990 um 2,7% pro Jahr. Bis 2021.

Preisauftrieb durch Zweitrundeneffekte

Der Kundschaft der Baufirmen hilft das alles jedenfalls nicht. Zum erhöhten Ausfallsrisiko bei laufenden Projekten kommen entgegen der allgemein nachlassenden Inflationsdynamik steigende Preise. Der abrupte Trend nach oben im Baupreisindex geht auf die ab 1. Mai 2024 gültigen Lohnabschlüsse zurück. Mit Erhöhungen zwischen 7,25% (Holzbau), 7,70% (Baunebengewerbe) und 7,15% (Bau) haben die Arbeitspreise den langjährigen Trend bei Material und Rohstoffen eingeholt.  In der Langzeitbetrachtung liegt die jährliche Steigerung der Baukosten mit im Schnitt 2,7% p.a. etwas über der allgemeinen Teuerung. Dass Bauen schneller teurer wird als Essen, ist im Grunde logisch – die gesamte Wertschöpfungskette kalkuliert mit der Entstehung eines langfristig ertragsstabilen Wirtschaftsguts. Der Einschnitt der Corona-Jahre führte jedoch nicht nur bei Verbraucherpreisen, sondern zunächst beim (oft überhaupt nicht verfügbaren) Baumaterial zu extremen Preissprüngen in kurzer Zeit. Ausgehend von der Entwicklung seit 1990 liegen die Baukosten damit etwa 13% über ihrem Langzeittrend. Die gute Nachricht: Damit sind wohl auch die sogenannten Zweitrundeneffekte erledigt, mit denen Unternehmen Preissteigerungen ihrer Beschaffungsmärkte an ihre Kunden weitergeben müssen. Die schlechte Nachricht: Raum für Preissenkungen entsteht damit immer noch keiner. Wer bei durchschnittlichen Personalkostenanteilen von knapp 30% zu Preisen von 2021 anbietet, kann schnell die Kosten nicht decken. Solvenzprobleme wären damit vorprogrammiert.

Easy money war gestern

Billig bauen wird damit auch für Kunden riskant. Für Investoren führt das zu einem Investmentszenario, das auf Langfristigkeit und Wertstabilität basiert. Die Suche nach Performancefaktoren verlagert sich von kurzfristiger Wertsteigerung bei niedrigen Produktions- und Kapitalkosten hin zu effektiver Vermarktung und optimalem Kapitaleinsatz. Liquiditätsgetriebene Anlageformen wie Bauherrenmodelle werden vergleichsweise attraktiver und genießen zudem staatlichen Beistand durch Steuervorteile und Förderungen.

Durch die vereinbarten Lohnerhöhungen stiegen die Baukosten im Mai 2024 noch einmal an. Damit dürften die Zweitrundeneffekte aber erledigt sein.

Wenn Baufirmen nicht billiger werden können, bleibt die Hoffnung auf regulative Liberalisierungen oder eine Senkung der Kapitalkosten. Bei einem durchschnittlichen Fremdkapitalanteil von 70% bei Wohnbauprojekten sind die Auswirkungen des Zinsniveaus und der sonstigen Bedingungen der Kapitalvergabe rechnerisch gravierend. Die in einer Reihe geldpolitischer Dilemmata verstrickte Europäische Zentralbank hat im Juni zwar den angekündigten Zinsschritt gesetzt, sich zum weiteren Vorgehen allerdings nur verhalten geäußert. Auch wenn aus Investorensicht mittel- bis langfristig mit einem freundlicheren Finanzierungsumfeld zu rechnen ist, sollte der Impuls, den die Geldpolitik für die Immobilien- und Baubranchen geben kann, nicht überschätzt werden. Das Mandat der EZB ist entgegen aller Polemik relativ beschränkt und wird in Zeiten steigender politischer Instabilität definitiv enger interpretiert werden. Für den Versuch, sich aus der Krise „herauszuinvestieren“ wird es in Zukunft vermutlich eher weniger Spielraum geben.

Bei einer durchschnittlichen Umsatzrentabilität von 6% reagieren die Baupreise sensibel auf jede Veränderung von Material- und Arbeitskosten.

Hoffnung auf Harmonisierung

Bleibt die Hoffnung auf eine Verbesserung der regulativen Rahmenbedingungen im Förderwesen und bei den unzähligen Bestimmungen fürs Bauen. Da wäre durchaus Spielraum, zum Beispiel bei der Wohnbauförderung. 2001 wurde die Zweckwidmung erstmals aufgeweicht, 2008 endgültig abgeschafft. Seither dient der von den Ländern bei den Arbeitgebern eingehobene Wohnbauförderbeitrag (immerhin 1% der Bruttogehälter) in erster Linie der Finanzierung der Budgets und in zweiter Linie dem Wohnbau. Versuche, die Zweckwidmung wieder einzuführen, scheiterten kläglich. Eine zusätzliche Wohnbaumilliarde, die die Koalition den Ländern im Rahmen des Wohnbaupakets (zweckgewidmet) genehmigte, wird am Ende vielleicht nur den Anteil der zweckkonformen Verwendung der eigentlichen Wohnbauförderung senken. Man wird sehen.

Wirklich schönes Potenzial für eine Verbilligung der Produktionskosten hätte eine entschlossene Durchforstung des Baurechts. Bereits Anfang 2023 veröffentlichte die Bauinnung eine Studie der TU Wien, in der systematisch Kostentreiber beim Bauen analysiert und viele kostenmindernde Maßnahmen vorgeschlagen werden. Ein gravierender Kostenfaktor ist etwa der Föderalismus: Baurecht ist Länderrecht, mit jeweils anderen Begriffen und Standards. Das reicht von sprachlichen Skurrilitäten – wer in Niederösterreich eine Baufluchtlinie sucht, wird beim „Bauwich“ fündig - bis zu von Bundesland zu Bundesland unterschiedlichen Normen und Förderstandards, die gegen jede Effizienz verbissen aufrecht erhalten werden. Bundes- und europarechtliche Vorgaben werden – nicht nur, aber auch beim Bauen – in der Umsetzung gerne übererfüllt.

Billiger wird besser erst, wenn einfacher gebaut werden darf. Dafür braucht es ein mittleres Wunder.

Einfach bauen lassen

So werden aus Mindestanforderungen Wunschzustände, mit entsprechenden Kostenfolgen. Echte Flächeneffizienz wird nicht selten durch Richtlinien verhindert, die ein Optimum zu Ungunsten der Gegebenheiten anstreben. Vor allem kleinere Projekte leiden unter den vorgeschriebenen Allgemeinräumen, deren Sinn nicht immer gegeben ist. Bestimmungen über die Dimensionen von Erschließungswegen, die verpflichtende Errichtung von KFZ- und Fahrradstellplätzen und die über die Harmonisierungsgrundlage hinaus verschärften Vorschriften für Aufzugsanlagen resultieren schnell in hunderttausenden Euro zusätzlicher Kosten. Verschärfend kommt oft noch hinzu, dass für die Sanierung von Bestandsgebäuden der Neubaustandard gilt und damit nicht selten mit brachialer Gewalt und entsprechenden Kosten in bestehende Strukturen eingegriffen werden muss, um Baunormen und Förderstandards zu erfüllen oder eine wirtschaftliche Vermietbarkeit sicherzustellen. Ganz zu schweigen von der schieren Menge einzuhaltender Standards, die Planung teuer und Bauen schwierig und riskant macht.

Wer nach niedrigeren Baukosten sucht, wird in näherer Zukunft weder bei den Gewinnmargen der Baufirmen noch bei den Finanzierungskonditionen auf Gold stoßen. Bei einer Umsatzrentabilität von durchschnittlich 6% können Rabatte von Baufirmen schnell existenzbedrohend werden. In einem Europa der zunehmenden politischen Unsicherheit schwindet der Spielraum für kreative Geldpolitik. Was immer man davon halten mag: Die Ära des Diskontkredits ist vorüber. Die großzügige Finanzierungspraxis der Banken in der Vergangenheit belastet deren Bilanzen und senkt ihren Risikoappetit. Sehr wahrscheinlich wird sich die Lage hier wieder bessern. Wunder sind von der Kreditwirtschaft jedoch keine zu erwarten.

Die Chancen für die Durchforstung und Harmonisierung länderrechtlicher Normen stehen traditionell schlecht. Vielleicht erleben wir aber eine politische Eingebung, wenn das Ausgeben von Steuergeldern schwieriger wird und wir können bald billiger bauen, weil wir billiger bauen dürfen. In Deutschland können mit dem Gebäudetyp-E-Gesetz Bauherren und Vertragspartner neuerdings innerhalb bestimmter Grenzen auf die Anwendung teurer Baunormen verzichten. Laut Fachleuten sinken damit die durchschnittlichen Errichtungskosten von 4.079 € pro Quadratmeter Wohnfläche auf 2.967 €.

Veränderungen zum Vorjahr

Ende des Anstiegs, kaum Rückgänge

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